Monday, February 12, 2007

Abgebloggt

„Fast jeder Autor, der ein neues Buch veröffentlicht, tut es“, gesteht Pamela Paul in der New York Times: „das unwiderstehliche Eintauchen in einen vom Internet evozierten Narzissmuss.“ Die amerikanische Sachbuchautorin spricht hier von den so genannten Blogs. Genau wie sie nutzen auch viele ihrer Kollegen das vergleichbar junge Publikationsmedium zu ihrem Vorteil. Innerhalb des deutschen Literaturbetriebes zunächst kaum beachtet, zeigt sich die gewaltige Marktkraft der Blogs mittlerweile aber sehr deutlich in den USA. Das Buch “How would a Patriot Act?” des amerikanischen Autors Glenn Greenwald kann hier als Paradebeispiel angeführt werden. Innerhalb von nur drei Monaten wurde es konzipiert, geschrieben, verlegt und veröffentlicht. Eine bemerkenswerte Leistung. Viel beeindruckender erscheint aber die Tatsache, dass es das Werk im gleichen Zeitraum mit Hilfe der Blogger auf die amerikanischen Bestsellerlisten schaffte.
Die Möglichkeit, den Erfolg eines Buches in einem so kurzen Zeitabschnitt interaktiv zu beeinflussen, ist in dieser Form absolut neu. Einer Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos zu folge, schenken rund ein Viertel der europäischen Internetnutzer den in Blogs veröffentlichten Kommentaren und Beiträgen Glauben. Damit ist ein Meinungsbildendes Potential unverkennbar. Bleibt die Frage, wie sich die einheimischen Verlage, die Autorenschaft und das interessierte Lesepublikum mit der so genannten Blogosphäre auseinandersetzen? Wird der deutsche Literaturbetrieb den Aufsprung auf den bereits fahrenden „Blog- Zug“ noch bewerkstelligen können?
Ein besonderes Geschick im Umgang mit dieser jungen Publikationsplattform führen uns momentan einige große Zeitschriftenverlage vor. So sind beispielsweise Die Zeit und das Handelsblatt mit ersten Blogprojekten beschäftigt. Beide Zeitungen sind sich darin einig, dass sie einen Blog für besonders geeignet halten, um im Netz schnell und effektiv zu publizieren. Aus diesem Grund setzen sie bereits jetzt einige Journalisten als professionelle Blogger ein. Damit liegen sie völlig im Trend - das patchworkartige Arbeiten, das sich im breiten Feld der Informationen vernetzt und die scheinbaren Originalitätsansprüche bei Seite lässt, wird sich auf Dauer durchsetzen. Es werden sich Journalisten etablieren, die das pointierte Zuspitzen bereits vorliegender Materialien beherrschen.
Die Möglichkeiten der Meinungsmache im World Wide Web haben nun auch immer mehr Autoren für sich entdeckt und stellen sich in ihren privaten Blogs den Fragen des Lesepublikums. Natürlich kann sich der Schriftsteller auch direkt in einen Literaturblog einschalten, um die dort entstehenden Diskussionen zu verfolgen und eventuell eigene Ansichten zu einem Thema zum Ausdruck bringen.
Für das Kollektiv der Lesebegeisterten gibt es ebenfalls interessante Blogs. Auf Internetseiten wie Dienstraum.de oder Literturwelt.de kann sich die bibliophile Internetgemeinde über Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt austauschen. Bücher werden dort bewertet, eventuell zum Lesen empfohlen, oder auch mal heftig kritisiert. Eine weitere Art der literarischen Vernetzung sind so genannte "Social Bookmark- Dienste“ wie Del.icio.us, Furl oder Spurl, die nach dem Empfehlungsprinzip funktionieren. Jeder Nutzer hat dort ein eigenes Profil angelegt, anhand dessen sich wiederum andere Leseinteressierte orientieren können. Auf solchen Seiten legen User täglich Lesezeichen zu ihren Lieblingsartikeln im Web ab. Das Ergebnis: Permanent erhält man aktuelles Lesefutter zu Themen, die einen höchstwahrscheinlich interessieren.
Doch wie ist es zu dieser rasanten Entwicklung der Blogs und den beschriebenen Folgeerscheinungen gekommen? Die ersten Spuren zum Thema Blog lassen sich im Sommer 1990 finden. Damals wurden sie noch als Online-Tagebücher bezeichnet, da es noch keinen adäquaten Ausdruck für dieses junge Phänomen gab. Der Begriff bezeichnete damals Webseiten, auf denen Internetnutzer kurze Einträge über ihr Privatleben verfassten, und so die Öffentlichkeit daran teilhaben ließ.
Es sollten sechs Jahre eifrigen Tagebuchschreibens vergehen, bis erstmals neue, benutzerfreundliche Bedienoberflächen geschaffen wurden.
Schließlich nannte man das Kind auch beim Namen - auf einer Website von Jorn Barger tauchte 1997 erstmals der Begriff "Weblog" auf, eine Wortkreuzung aus "Web" und "Log". Die Kurzform "Blog" folgte dann im Jahr 1999. Bereits zwei Jahre später erschienen erste Journalartikel und Forschungsarbeiten über das Thema.
Betrachtet man in heutiger Zeit die Größe der so genannten "Blogosphäre", so fällt auf, dass diese seit ihrer Erfindung beachtlich und kontinuierlich gewachsen ist. Die Internetdatenbank Technorati zählt momentan 63,2 Millionen Blogs weltweit. Als wäre diese Menge nicht schon beeindruckend – statistisch gesehen verdoppelt sich die Anzahl veröffentlichter Blogs alle fünf Monate.
Mit dem Wachstum der Blogosphäre nimmt auch die Menge unterschiedlicher Weblog- Formen zu. Sie bestehen oft aus einer Mischung von Kommentaren, Tagebuch-Einträgen und Kuriositäten aus dem Netz und dienen in erster Linie der Unterhaltung oder der persönlichen Selbstdarstellung im Internet. Neben diesen sehr persönlich gehaltenen Weblogs etablieren sich jedoch zunehmend auch Fach- Blogs, welche Fakten, Trends und Tipps zu einem bestimmten Thema veröffentlichen. Auch anerkannte Medien sind ernsthaft an dem Phänomen interessiert. Dies lässt sich schon daran erkennen, dass viele, der in Blogs diskutierten Themen, einfach von der etablierten Presse übernommen werden.
So ist es auch kein Wunder, das Mitarbeiter großer Unternehmen einen nicht geringen Teil ihrer Arbeitszeit vor ihrem Bildschirm verbringen, um systematisch die Diskussionen innerhalb der Blogs zu verfolgen. Sie versprechen sich dadurch ein schnelles und ehrliches Feedback. Diese Tatsache liefert zugleich eine Momentaufnahme der "Blogästhetik" - Weblogs bieten die Möglichkeit, direkt und ungefiltert gesellschaftliche Ereignisse aufzugreifen und zu präsentieren. So ist es nur logisch, dass momentan vorwiegend täglich und wöchentlich publizierende Medien diese Möglichkeiten nutzen. So sehr sich bei diesen Medien eine dauerhafte und zukunftsweisende Nutzung herauskristallisiert, so sehr ist der Einsatz von Blogs in größeren Verlagen derzeit unklar. Um nicht den Anschluss an die publizierende Gemeinschaft sowie an den Kunden zu verlieren, sollten diese Unternehmen jedoch schleunigst die Weichen stellen den Anschluss nicht zu verpassen.
Denn betrachtet man die erstaunliche Entwicklung der Blogosphäre, so muss man feststellen, dass sich der Zug bereits in volle Fahrt befindet. Es wird Zeit aufzuspringen.
Wir wünschen eine angenehme und erfolgreiche Reise!

DS/TL

Saturday, January 20, 2007

Wer wird Rezensent? Die Verkaufsplattform "Amazon" zum Mitmachen für jeden

- Einleitung


Amazon gilt als Schreckgespenst für den stationären Buchhandel. Gerade kleinere Geschäfte werden durch den Großkonzern geschädigt. Die Kundschaft bleibt aus, denn der Mensch mag es bequem: Wer seinen Einkauf mit zwei Klicks von zu Hause aus erledigen kann, spart sich gern den Weg zur nächsten Buchhandlung.

Auch den Verlagen schlottern die Knie. Die Auseinandersetzungen zwischen Amazon und dem Rockbuch-Verlag haben gezeigt, welche vernichtenden Folgen einzelne im Internet publizierte Meinungen haben können. Der Kleinverlag beklagte, dass verschiedene Bücher seines Programms auf den Seiten der Verkaufsplattform massiv angegriffen wurden, was sich geschäftsschädigend auswirkte. Und Rockbuch sieht sich in bester Gesellschaft: Econ, einer der führenden Sachbuchverlage, erlitt ähnliche Angriffe. Der Autor Boris Reitschuster wurde in Amazon-Rezensionen für sein kritisches Werk "Putins Demokratur" unter anderem als "Teufelsanbeter" beschimpft.

Diese Vorfälle lassen die Frage aufkommen: Darf jeder bei Amazon schreiben, was er will? Im Prinzip, ja. Jeder registrierte User die Möglichkeit, seine persönliche Kritik zu einem Buch auf der zugehörigen Artikelseite zu publizieren. So besteht für Hinz und Kunz die Chance, mit der eigenen Buchrezension auf einer von Millionen von Menschen besuchten Internetplattform Ruhm zu ernten. Aber nicht alles ist erlaubt: Eine Kundenrezension muss bestimmte Richtlinien einhalten. In einem Selbstversuch haben „Ovid37“, „Max König“ und fußballBernd79die Grenzen der Akzeptanz im Hause Amazon ausgetestet. Nichts blieb dabei unversucht. Die erste Kritik, in der andere Rezensenten beleidigt werden, wird wie erwartet nicht online gestellt. Die zweite ist trotz inhaltlicher Fehler und unmöglichen Stils wenige Stunden nach dem Absenden auf der Artikelseite zu lesen. Als letztes versucht „Ovid37“ ein waschechtes Plagiat zu veröffentlichen und hat Erfolg. Der Artikel beleidigt niemanden und ist in seiner Form korrekt, also wird er eingestellt. Erst als sich der echte Verfasser zu Wort meldet, wird der Konzern auf seinen Nachlässigkeit aufmerksam und der Text gelöscht. Die angekündigten Maßnahmen wurden nie durchgeführt. Auch fühlt sich Amazon juristisch nicht verantwortlich.

Der Internethändler kümmert sich offensichtlich wenig, um die Qualität und Seriosität der Kundenrezensionen. So unterscheiden sie sich stark von Kritiken, die man aus den Feuilletons von Zeitungen und Magazinen kennt. Zuerst fällt der geringe Umfang ins Auge. Professionelle Literaturkritiker können mit Ihrer Meinung ganze Zeitungsseiten füllen, die Amazon-User hingegen kommentieren ein Werk oft nur mit wenigen Phrasen. Meist ein locker formuliertes Statement, das nur den subjektiven Leseeindruck schildert. Die Bewertung beschränkt sich auf kurze Prädikate wie „lustig“, „spannend“, „unterhaltsam“. Von einem hohen literarischen Anspruch, wie ihn Rezensionen von hauptberuflichen Kulturjournalisten oft haben, keine Spur. Ijoma Mangold beschreibt und bewertet in seiner Rezension zu „Beim Häuten der Zwiebel“ im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom 19.08.2006 mit einer geschliffenen Sprache auf höchst detaillierte Art und Weise Grass’ Sprachstil und die literarische Form seines Werks. Ein Amazon-Kunde hingegen kommentiert das Werk mit einigen kurzen Worten: „Günter Grass hat hier seine wunderbare Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das Buch ist mitreißend, fesselnd und absolut authentisch. Die Kapitel über die Jugend, den Krieg lassen mich als jungen Menschen nicht mehr los. Die rhetorischen Fähigkeiten Grass' werden in diesem Buch ein weiteres mal bewiesen.“ Der Nutzwert einer solchen Rezension für Kunden, die sich ausgiebig über die Qualität eines literarischen Werks informieren wollen, ist eher zweifelhaft.

Die Funktion „Kundenrezension“ scheint so eher für die Bewertung eines Staubsaugers als für die eines literarischen Werkes geeignet. Wahrscheinlich genau aus diesem Grund findet man auf den Produktseiten zu Büchern oftmals noch eine Kritik der „Amazon.de Redaktion“. Diese Texte sind eher an feuilletonistische Literaturrezensionen angelehnt, auch wenn die Autoren meist wenig bekannt sind. Nur für die Rezensionen von wichtigen Werken mit Bestsellerpotential beauftragt Amazon namhafte Journalisten, wie Thomas Köster für die Kritik des oben genannten „Beim Häuten der Zwiebel“, der unter anderem für Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel geschrieben hat. Bei weniger erfolgreichen Büchern beschränkt sich Amazon auf den Abdruck des Verlags- oder Klappentexts.

Nun interessiert natürlich, wer oder was diese mysteriöse „Amazon-Redaktion“ sein soll, die Bücher für die Kunden rezensiert und vorstellt. Die mühselige Suche nach einem Kontakt, der Licht ins Dunkel bringen soll, führt zu einer Emailadresse und einer Telefonnummer. Das Anschreiben jener Adresse lehrt jedoch Geduld, denn auf eine Antwort zu warten ist vergeblich, und wenn doch erhält man nur die spärliche Aussage, dass aufgrund der vielen Anfragen Amazon nicht ausführlich antworten könne, und eine Zusammenfassung der Eigendefinition des Betriebes: Es handele sich bei der Redaktion um Firmeninterna. Und sogar die Kontaktaufnahme mit den Mitgliedern der Redaktion scheitert, da auch sie sich weigern, Informationen preiszugeben. Das Mysterium um diese ominöse Arbeitsgruppe der Verkaufsplattform wächst. Sitzen die Redakteure in einem abgeschotteten Bunker unter Bad Hersfeld und werden als Amazon-Geheimagenten von der Öffentlichkeit fern gehalten, um für die Verlage werbewirksam eine pseudo-objektive Meinung zu präsentieren? Das wohlbehütete Geheimnis wird sich wohl nie lüften.

Weder die Kundenrezensionen, noch die Amazon-Redaktion sind ernsthafte Konkurrenz für den klassischen Literaturjournalismus.

- Schluss

S.H. und D.H.

Friday, January 19, 2007

Hand in Hand in Sachen Literatur II.

Hand in Hand in Sachen Literatur

Es klingt so bescheiden. Literaturvermittelnde Websites können „einen wesentlichen Beitrag leisten […], um das mit der Literaturförderung des Bundes angestrebte Ziel der Vermittlung aktueller literarischer Erzeugnisse und Ereignisse zu erreichen“. Der Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin im Stil nicht unähnlich ist diese Begründung Maria Lükens, die stellvertretend für Kulturstaatsminister Bernd Neumann das Interesse an Websites wie literaturportal.de und litrix.de erklärt. Diese institutionell geförderten Projekte widmen sich speziell der Verbreitung deutscher Gegenwartsliteratur –jedes auf seine Weise.
Von der Kulturstiftung des Bundes vor drei Jahren initiiert und seitdem finanziell unterstützt, dient das Projekt litrix.de der Vermittlung deutscher Gegenwartsliteratur ins Ausland. Auf der Website können weltweit Informationen über aktuelle Erscheinungen abgerufen werden. Eine Jury wählt in einem zweistufigen Verfahren Werke aus, die von globalem Interesse sein könnten. Neben Übersetzungen ins Englische, werden ausgesuchte Titel in eine jährlich wechselnde Schwerpunktsprache übertragen.
Zwar sind in anderen europäischen Ländern vergleichbare Projekte zu finden, litrix.de ist jedoch als zentrale literaturvermittelnde Anlaufstelle in Deutschland einmalig. Als Resultat hat sich die „Website im Ausland als Marke etabliert und „als wichtiges Vermittlungsorgan für ausländische Verlage“, die laut Anne-Bitt Gerecke, der Leiterin von litrix.de, zunehmend in eigener Initiative das Angebot nutzen. Förderlich für den internationalen Austausch sind diesbezüglich die vier Sprachoptionen, aus denen der User auswählen kann. So lässt sich die Website außer auf Deutsch und Englisch ebenfalls in den bisherigen Schwerpunktsprachen Chinesisch und Arabisch aufrufen.
Einen roten Faden gibt es auf www.litrix.de nicht. Stattdessen schmückt die Website ein elegantes, sattrotes Lesebändchen, das die Seiten eines aufgeschlagenen virtuellen Buches teilt. Als Orientierungshilfe wäre es ohnehin überflüssig, da sich die in schlichtem weiß gehaltene Seite mit dem in blauen, romantisch anmutenden Logo durch große Klarheit und Übersichtlichkeit auszeichnet.
Das vom Litrix-Team erdachte und den Initiatoren des Projekt vorgelegte Konzept geht auf: Nicht schreiend bunte Farben und spektakuläre Animationen, sondern Literatur und ihre Vermittlung stehen im Vordergrund. So wird ein Überblick über die ausgesuchten Romane, Sach- und Kinderbücher geboten, wobei bei Bedarf zu jedem Titel Buchbesprechungen ebenso wie Leseproben verfügbar sind. Des Weiteren informiert die Site in kurzen Porträts über die Autoren sowie über deren weitere Veröffentlichungen. Im Dezember 2006 wurde die Seite über die monatliche Aktualisierung („Bücher des Monats“) hinaus um eine Galerie der von litrix.de bisher im Rahmen der Übersetzungsförderung erschienenen Titel in den Schwerpunktsprachen ergänzt.
Ausführlich widmet sich die Website auch der Vorstellung des eigenen Profils, um dessen Anliegen, Ziele und Hintergründe transparent zu machen. In diesem Zusammenhang fehlt auch nicht die Erwähnung derer, die als Förderer bzw. Partner die Arbeit von litrix.de erst ermöglichen. Unterstützung erfährt das Projekt neben der Kulturstiftung des Bundes durch das Goethe-Institut als Träger und durch die internationale Abteilung der Frankfurter Buchmesse.
Der Auf- und Ausbau dieses Netzwerks stellte möglicherweise auch ein wichtiges Kriterium für die Kulturstiftung dar, die in der 11. Stiftungsratssitzung am 18. Dezember 2006 entschieden hat, die Arbeit von litrix.de mit einer Einzelförderung in Höhe von 450.000 Euro weiterhin zu unterstützen. Modalitäten wie die Laufzeit und die Festlegung eines neuen Schwerpunktlandes bleiben zwar noch zu klären, litrix.de könne aber 2007 mit dem erneut bewilligten Zuschuss in „die nächste Runde“ gehen, freut sich Gerecke.
Ein ähnliches Motto machte sich das Team des DLA (Deutsches Literaturarchiv Marbach) zu eigen, als es sich für eine Fortführung des im Schillerjahr 2005 konzipierten literarischen Kalenders entschloss. So ging am 15. Juni 2006 der Nachfolger von www.schillerjahr2005.de online. Neben der Förderung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) wird das Projekt von zahlreichen Partnern wie unter anderem dem Deutschlandradio und dem Goethe-Institut unterstützt.

Im Gegensatz zu litrix.de beschäftigt sich literaturportal.de nicht mit der Verbreitung deutscher Literatur im Ausland. Vielmehr sollen hier sämtliche, im deutschen Bundesgebiet anstehenden Veranstaltungstermine im Bereich der Literatur auf einen ‚Klick’ zusammengestellt und zugänglich gemacht werden. Das Literaturportal lockt mit einigen reizvollen Angeboten, die aber zum Teil noch in Kinderschuhen stecken. Beim Aufruf der Homepage flutet ein kühles Weiß den Bildschirm, hie und da zersetzt mit kleinen Schwarzweiß-Bildchen. Eine wenig einladend graue Deutschlandkarte verweist den Interessierten bereits auf den Kern des Portals – nämlich dem literarischen Kalender.
Wer sich aber auf das Thema Literatur erst noch einstellen will, den locken nahezu 500 Kurzbiografien bekannter und weniger bekannter Autoren der Moderne. Teilweise allzu kurze Lebensdaten sollen Lust auf mehr machen. Dieses Mehr bilden akustische Ausschnitte aus Autorenlesungen („Stimme des Autors“), die dem Literaturfreund den Schriftsteller näher bringen sollen. Das gelingt, vorausgesetzt man lässt seinem Computer genug Zeit zum Datenlesen.
Hinter dem Button „Archiv“ verbirgt sich derzeit nur eine Baustelle. Zukünftig sollen hier sämtliche Veranstaltungstermine archiviert werden. Auch unter „Exponate“ wird der geneigte Besucher noch nicht allzu fündig. Erklärtes Ziel dieses Bereichs sind von Autoren verfasste Beschreibungen von Ausstellungsstücken aus dem LiMo (Literaturmuseum der Moderne) oder dem DLA selbst. Diese an sich nette Idee wurde jedoch noch nicht im großen Rahmen umgesetzt, so dass unter „Exponate“ erst ein alleinstehendes Ausstellungsstück schlummert.
Nach all diesen, zum Teil noch im Bau befindlichen Angeboten, wartet das Literaturportal doch noch mit einem echten Schmankerl auf. Alle Literaturbegeisterten stoßen unter „Links“ auf eine übersichtliche, in Untergruppen geordnete Fundgrube. Zahlreiche Zweige des großen Literaturbaumes sind hier bereits gesprossen und werden wohl noch weiter gedeihen.

Genauso zahlreich und verschieden zeigt sich auch die Palette der verlinkten Websites. So steht neben Pages wie bluetenleser.de auch der Blog einer germanistischen Lehrveranstaltung an der Philipps-Universität Marburg, in deren Rahmen dieser Artikel entstanden ist. Allerdings ist fraglich, ob die virtuelle Zettelwirtschaft einer Handvoll Studenten den literarisch Interessierten weiterbringt.

Garantiert keine Hoffnung auf weiterführende Informationen muss man sich bei einem Klick auf den Link berliner-zimmer.de machen, der nicht mehr existent ist. Die mangelhafte Aktualität ist daher ein weiterer ernstzunehmender Kritikpunkt an der Website literaturportal.de, die trotz ihres erst jungen Bestehens schon häufiger scharf kritisiert wurde. Lüken erklärt dies durch das bisher nicht erreichte zweite Hauptziel der Site. So kündigte das Portal eine „Vernetzung der verschiedensten literarischen Institutionen und Verlage in Deutschland“ an. Diese Vision rief einen zu hohen Anspruch an das Projekt hervor, dem es bisher nicht gerecht werden konnte. Aufgrund der daraus resultierenden Kritik wird derzeit geprüft, ob das Interesse an einer zentralen „Plattform zur umfassenden Information und zum Austausch über das literarische Leben in Deutschland“ aktuell ist. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.



SJ und AD


Saturday, January 13, 2007

Redaktionell betreute Seiten

Text ist von uns aus fertig. gruß andré, zha

Besser bloggen

Der Rezension dienen redaktionell betreute Literatur-Websites erst in zweiter Linie, im Vordergrund steht die Vernetzung leidenschaftlicher Leser

„Suchen finanzielle Unterstützung“ steht in den Seiten des Berliner Zimmers verborgen, dem „salon im netz seit 1998“. Schon die Startseite begrüßt den Besucher mit den Worten: „Ab Ende Oktober 2006 wird das Berlinerzimmer nicht mehr redaktionell gepflegt. Eine Erklärung folgt in Kürze.“ Da keine Erklärung zu finden ist, frage ich beim Mitherausgeber der Seite Enno E. Peter nach, warum der Betrieb eingestellt wurde. Jedoch ist Peter um eine Antwort verlegen, weil die „Sache mit dem Berliner Zimmer schon so lange her sei“. Statt dessen widmet sich Peter anderen Projekten, veranstaltet unter anderem den Erotischen Salon in der Kulturbrauerei Berlin, wie der Website Berliner Zimmer zu entnehmen ist. Erotik statt Literatur. Dabei geben gerade die redaktionell betreuten Web-Seiten wie das Berliner Zimmer ein Qualitätsversprechen ab, ist es doch ihr Anspruch, einen von der Herausgeberinstanz überprüften, niemals kommerziellen Blick auf Literatur zu werfen. Wir sind nicht in der launischen Blogosphäre, in der jeder Kommentar auf den Bildschirm gelangt, und fern der kommerziellen Verlagsseiten mit ihrer verblurbten Eigenwerbung. Amazon bietet dem anspruchsvollen Literaten lediglich die Chance auf ein Schnäppchen. Die Kundenkritiken sind in der Mehrzahl nichtssagend, nur die Vielzahl der Amazonrezensenten bedingt von Zeit zu Zeit einen reflektierten Eintrag. Wenn bei Amazon eine Literaturbetrachtung im Spannungsfeld zwischen „genial“ und „lustig“ vorherrscht, dann wird klar, dass genau diese Form den meisten Buchlesern als ausreichend erscheint und die Zielgruppe für eine tiefer gehende Auseinandersetzung gering ist. Ohne Sponsoren oder Werbepartner heißt es für die engagierten Literaturliebhaber der redaktionell betreuten Seiten unabhängig von der Größe der Community: Geld oder Leben. Staatliche Institutionen bieten einen Ausweg, nicht ganz so unbedenklich ist die Zusammenarbeit mit finanzkräftigen Unternehmen aus dem Literaturkosmos.

Grundsätzlich hängt die Attraktivität einer Seite und damit der Geldzufluss aus privatwirtschaftlichen Quellen von der Anzahl der Seitenbesucher ab. Wer nicht den Weg in die öffentliche Randständigkeit gehen kann oder will, hängt den feuilletonistischen Anspruch nicht allzu hoch. Bei den Großen der Szene wie literature.de, literaturcafé.de und readme.cc geht es um den Austausch über, weniger um die Bewertung von Literatur. Ganz ohne Rezensionen will allerdings niemand auskommen. Das „Literaturportal“ literature.de bietet neben dem Forum, in dem Bescher Buchtipps austauschen, und einer nützlich anmutenden Autoren- und Verlagsauflistung tägliche Buchbesprechungen. Einen Schuss Individualität tragen die Geschichten der Besucher in das Portal hinein, die den Mitgliedern der Portal-Gemeinde ein Profil verleihen. Da bleibt der Zeitungsleser wesentlich anonymer. Über literature.de sagt Sven Trautwein: „Die Seite habe ich aus einer Laune im Studium heraus gestartet." Das war 1998. „Autoren“, sagt Trautwein, „schickten ihre Kurzgeschichten“, und er stellte sie online. "Ab 1999 kamen die ersten Rezensionen hinzu“, blickt der Macher zurück, "und im Jahr 2000 erschien der erste Band der Anthologie 'netzgeschichten'." Das Tagesgeschäft der Rezensionen und Nachrichten hat Trautwein an 16 bundesweit tätige Redakteure delegiert und kümmert sich selbst vorwiegend um Koordination und Weiterentwicklung. 40 bis 50 Arbeitsstunden investiert er jede Woche in das gute Gefühl, andere Menschen zu unterhalten. Der typische Besucher der Seite ist übrigens weiblich, hat ein überdurchschnittliches Haushaltseinkommen und einen gehobenen Bildungsstand. Unter den Nutzern weiß Trautwein aber auch den ein oder anderen „namhaften Verlag“, wie die Aufnahme von Zitaten aus Texten seiner Website in Publikationen der Verlage zeigten.

Wer sich in den eigenen vier Wänden unter Menschen fühlen möchte, den spricht vielleicht die Seite literaturcafe.de an, der „literarische treffpunkt im Internet seit 1996“. Eine Kooperation mit dem Buchhändler „Jokers“, dessen Beilagen aus überregionalen Zeitungen bekannt sind, weist auf finanzielle Sicherheit hin. Vor der Recherche nach neu erschienener oder zeitloser Literatur, die in der Menüleiste griffbereit vorliegt, steht die Unterhaltung der Seitenbesucher. Hier überraschte das Literaturcafé Anfang Januar 2007 mit einem YouTube-Videoclip zum Thema: „Bücher gehören nicht ins Fernsehen.“ Das ist nicht ungefährlich. Ich wäre fast bei YouTube hängengeblieben und gab erst nach einer Stunde wieder die Adresse des Literaturcafés ein, das anderen Menschen allerdings einer Verheißung gleichkommt. „Als Romanautor glaube ich nun auf der richtigen Seite gelandet zu sein und werde in Zukunft oft "vorbei kommen" und evtl. Beiträge liefern. Mehr über mich und meine Bücher erfahren Sie unter: www.justneumann.de“, schrieb Just Neumann ins Gästebuch. Rita Hajak versichert an gleicher Stelle: „Die neuesten Beiträge lese ich immer. Einfach toll!“ Kann man Menschen und ihre Bedürfnisse besser zusammenführen? Für die Qualität des Internetportals literaturcafe.de bürgt die Nachrichtenredaktion, die Neuigkeiten aus der Literaturwelt zeitnah veröffentlicht. Ganz der Kommunikation widmet sich die Rubrik „Textkritik“. Hier rezensiert alle zwei Wochen ein User den Text eines anderen Users. Doch woher soll der Neuling der Seite wissen, ob hier auch „große Literatur“ zu lesen ist? Dr. Florian Langenscheidt urteilte in der Zeitschrift Tomorrow immerhin: „Das Literatur-Café gehört zu den weltbesten Seiten im Internet.“ Nachzulesen auf lteraturcafe.de. Vielleicht ist das Web-Radio des Cafés der beste Einstieg. Es gewann den „Deutschen Podcast-Awards 2006“, den ihm der Deutsche Podcast-Kulturverband verliehen hat.

Ein Großprojekt zur Vernetzung von Literaturfreunden betreut Walter Grond. Die Seite Readme.cc möchte er zum europäischen Treffpunkt für pasionierte Leser machen, die nach dem letzten Satz noch einen Hang zur tiefer gehenden Auseinandersetzung mit den erlesenen Texten verspüren. Der Österreicher Schriftsteller Grond dachte im Jahr 2002 erstmals darüber nach, die Tugenden des Literatur- und Wissenschaftsbetriebs, die in der Expertise liegen, mit der interaktiven Demokratie, die den Internetcommunitys zukommt, zu kombinieren. Als Rezensionsforum versteht sich die Seite nicht. Die Empfehlung erfolgt unabhängig von Erscheinungsdatum und Gattung. Zwar gehöre es zum Konzept, eine große Datenbank mit Buchempfehlungen aufzubauen, sagt Grond, andererseits solle die Idee des klassischen Leserzirkels neu belebt werden. Der Gründer erklärt: "Man kann sich eine Nische suchen und nur mit bestimmten Lesern und deren Lektüren vermittelt werden.“ Bis 2010 ist die Existenz des von Kommerz befreiten Austauschforums gesichert, denn die finanziellen Mittel entstammen dem Haushalt der Europäische Union.

Für das Gelingen einer redaktionell betreuten Literatur-Website erklären Grond und Trautwein „Leidenschaft“ zur wichtigsten Voraussetzung. So sprechen Menschen, die es geschafft haben, sich ihrer finanziellen Sorgen zu entledigen. Neueinsteiger sollten wissen, dass wie im "richtigen" Leben - also offline - auch im Netz das tiefere Fragen nach hintergründig im Text verborgenen Anschauungen selten ist, derweil Amazon vor Rezensionen überläuft.

Wer wird Rezensent? Die Verkaufsplattform "Amazon" zum Mitmachen für jeden

Der 1994 in Seattle gegründete Internetshop „Amazon“ ist der weltweit erfolgreichste Einzelhändler für Bücher im Internet. Jedoch beschränken sich die Funktionen der Internetseite nicht auf den bloßen Kauf von Büchern. Mit zusätzlichen Leistungen wie Kundenrezensionen, Punktebewertungen, Verlagstexten, eigenen Amazon-Kritiken und vielem mehr bietet die Internetseite dem Kunden zahlreiche zusätzliche Informationen über das literarische Objekt der Begierde. Die Frage, die sich dabei unweigerlich stellt ist, ob überhaupt noch eine Bedürfnis nach oder eine Notwendigkeit für Kulturjournalismus in der herkömmlichen Form besteht, wie er hauptsächlich in Printmedien zu finden ist. Kann sich Heinz, 37, Einzelhandelsverkäufer aus Brunsbüttel in Zeiten von 19% Mehrwertsteuer, befristeten Arbeitsverträgen und steigenden Zigarettenpreisen nicht die knapp 8 Euro für die monatliche Ausgabe „Literaturen“ sparen und die benötigten Infos bei den Buchexperten aus Seattle einholen?

Unser Augenmerk soll sich zunächst auf ein nahezu exklusives Feature von Amazon richten: Die Kundenrezension. Jeder registrierte User hat die Möglichkeit, seine persönliche Kritik zu einem Buch auf der zugehörigen Artikelseite zu publizieren. So besteht für Hinz und Kunz die Chance, mit der eigenen Buchrezension auf einer von Millionen von Menschen besuchten Internetplattform Ruhm zu ernten. Jedoch unterscheiden sich die so entstehenden Texte stark von Kritiken, die man aus den Feuilletons von Zeitungen und Magazinen kennt. Zuerst fällt der geringe Umfang ins Auge. Professionelle Literaturkritiker können mit Ihrer Meinung ganze Zeitungsseiten füllen, die Amazon-User hingegen kommentieren ein Werk oft nur mit wenigen Phrasen. Meist ein locker formuliertes Statement, das nur den subjektiven Leseeindruck schildert. Die Bewertung beschränkt sich auf kurze Prädikate wie „lustig“, „spannend“, „unterhaltsam“. Von einem hohen literarischen Anspruch, wie ihn Rezensionen von hauptberuflichen Kulturjournalisten oft haben, keine Spur. Ijoma Mangold beschreibt und bewertet in seiner Rezension zu „Beim Häuten der Zwiebel“ im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom 19.08.2006 mit einer geschliffenen Sprache auf höchst detaillierte Art und Weise Grass’ Sprachstil und die literarische Form seines Werks, wohingegen ein Amazon-Kunde das Werk mit einigen kurzen Worten kommentiert: „Günter Grass hat hier seine wunderbare Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das Buch ist mitreißend, fesselnd und absolut authentisch. Die Kapitel über die Jugend, den Krieg lassen mich als jungen Menschen nicht mehr los. Die rhetorischen Fähigkeiten Grass' werden in diesem Buch ein weiteres mal bewiesen.“ Der Nutzwert einer solchen Rezension für Kunden, die sich ausgiebig über die Qualität eines literarischen Werks informieren wollen, ist eher zweifelhaft.

Die Funktion „Kundenrezension“ scheint so eher für die Bewertung eines Staubsaugers als für die eines literarischen Werkes geeignet. Wahrscheinlich genau aus diesem Grund findet man auf den Produktseiten zu Büchern oftmals noch eine Kritik der „Amazon.de Redaktion“. Diese Texte sind eher an feuilletonistische Literaturrezensionen angelehnt, auch wenn die Autoren meist wenig bekannt sind. Nur für die Rezensionen von wichtigen Werken mit Bestsellerpotential beauftragt Amazon namhafte Journalisten, wie Thomas Köster für die Kritik des oben genannten „Beim Häuten der Zwiebel“, der unter anderem für Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel geschrieben hat. Bei weniger erfolgreichen Büchern beschränkt sich Amazon auf den Abdruck des Verlags- oder Klappentexts.

Nun interessiert natürlich, wer oder was diese mysteriöse „Amazon-Redaktion“ sein soll, die Bücher für die Kunden rezensiert und vorstellt. Die mühselige Suche nach einem Kontakt, der Licht ins Dunkel bringen soll, führt zu einer Emailadresse und einer Telefonnummer. Das Anschreiben jener Adresse lehrt jedoch Geduld, denn auf eine Antwort zu warten ist vergeblich, und wenn doch erhält man nur die spärliche Aussage, dass aufgrund der vielen Anfragen Amazon die Fragen nicht beantworten könne, und eine Zusammenfassung der Eigendefinition des Betriebes: Es handele sich bei der Redaktion um Firmeninterna. Und sogar die Kontaktaufnahme mit den Mitgliedern der Redaktion scheitert, da auch sie sich weigern Informationen preiszugeben. Das Mysterium um diese ominöse Arbeitsgruppe der Verkaufsplattform wächst. Sitzen die Redakteure in einem abgeschotteten Bunker unter Bad Hersfeld und werden als Amazon-Geheimagenten von der Öffentlichkeit fern gehalten, um für die Verlage werbewirksam eine pseudo-objektive Meinung zu präsentieren? Das wohlbehütete Geheimnis wird sich wohl nie lüften.

Darüber hinaus gibt es, wie eingangs erwähnt, die Möglichkeit selbst aktiv zu werden, Kritiken zu schreiben und Artikel zu bewerten. Allerdings muss eine Kundenrezension bestimmte Richtlinien einhalten. In einem Selbstversuch haben „Ovid37“, „Max König“ und „Bernd Königsberg“ die Grenzen der Akzeptanz im Hause Amazon ausgetestet. Sie schreiben Kritiken und geben dabei alles. Sie klauen bereits in Zeitungen veröffentlichte Rezensionen, beleidigen die anderen Kundenrezensenten, sie bewerten noch nicht veröffentlichte Bücher. Schließlich schreibt „Bernd“ eine letzte Kritik, in schlechtem Deutsch, völlig unpassend, doch er hat Glück: Sie wird online gestellt. Was passiert nach dem Einreichen einer nicht richtlinienkonformen Rezension? Die Antwort ist kurz: Nichts! Der Megakonzert Amazon hält es nicht für nötig, die User zu informieren, ob ihre Rezensionen veröffentlicht wurden, wenn nicht, warum, und noch nicht einmal Zuwiderhandlungen zu verfolgen. „Ovid“ wurde wegen des Plagiats bis zum heutigen Tage nicht gemaßregelt.

Über Amazon mag man denken, was man will. Es hat seine guten Seiten, auch wenn kleine Buchhandlungen vermeintlich geschädigt werden. Die bestellte Ware wird Heinz, 37, Einzelhandelsverkäufer aus Brunsbüttel garantiert schnellstmöglich erreichen und höchstwahrscheinlich zufrieden stellen. Darüber hinaus sollte man jedoch nicht zu viel erwarten, denn sieht man genauer hin, wird klar, dass man im Stich gelassen wird: Kein Feedback, keine Benachrichtigungen, keine Hilfe. Zumindest dann, wenn man selbst am Inhalt der Seite mitarbeiten will.
Auf der anderen Seite kann Heinz getrost schreiben was er will und Schandluder mit seinen Einträgen treiben, da sich Amazon um „kleine Fische“ scheinbar nicht schert. Schlussendlich ist festzustellen, dass der Kulturjournalismus nichts vonseiten Amazons zu befürchten hat. Lediglich bei den Kundenrezensionen sollte man sich vergewissern, dass nicht die eine oder andere wohl formulierte Rezension eines renommierten Blattes plötzlich unter einem der vielen Artikel auftaucht und als das Gedankengut eines Users ausgegeben wird.

S.H. und D.H.

Friday, January 12, 2007

Hand in Hand in Sachen Literatur

Hand in Hand in Sachen Literatur
Das Medium Internet ist der Feind aller anderen Medien. So wurde es in den letzten Jahren immer wieder diskutiert. Als Konkurrent für die Plattenindustrie mag das stimmen, vielleicht auch im Bezug auf die Filmbranche. Doch für das Medium Buch trifft diese Behauptung nicht zu. Im Gegenteil: Immer mehr Verlage und Buchhandlungen machen sich die Möglichkeiten des World Wide Web zunutze. Doch dient das Internet im literarischen Bereich nicht nur primär der Umsatzsteigerung. Vielmehr haben sich zahlreiche Websites auch die bloße Bekanntmachung und kulturelle Verbreitung der Literatur zur Aufgabe gemacht.
So finden sich neben redaktionell betriebenen Internetseiten wie bluetenleser.de und perlentaucher.de auch institutionell geförderte Projekte, wie litrix.de und literaturportal.de. Diese beiden widmen sich speziell diesen Aufgaben im Bereich der deutschen Gegenwartsliteratur.
Von der Kulturstiftung des Bundes vor drei Jahren initiiert und seitdem finanziell gefördert, dient das Projekt litrix.de der Vermittlung deutscher Gegenwartsliteratur ins Ausland. Auf der Website können weltweit zeitnahe Informationen über aktuelle Erscheinungen abgerufen werden. Eine Jury wählt in einem zweistufigen Verfahren Werke aus, die von globalem, weitreichendem Interesse sein könnten. Neben Übersetzungen ins Englische, werden ausgesuchte Titel in eine jährlich wechselnde Schwerpunktsprache übertragen.
Zwar sind in anderen europäischen Ländern vergleichbare Projekte zu finden, litrix.de ist jedoch als zentrale literaturvermittelnde Anlaufstelle in Deutschland einmalig. Als Resultat hat sich die Website im Ausland als Marke etabliert und gilt mittlerweile als wichtiges Vermittlungsorgan für ausländische Verlage, die laut Anne-Bitt Gerecke, der Leiterin von litrix.de, zunehmend in eigener Initiative das Angebot nutzen. Förderlich für den internationalen Austausch sind diesbezüglich die vier Sprachoptionen, aus denen der User auswählen kann. So lässt sich die Website außer auf Deutsch und Englisch ebenfalls in den bisherigen Schwerpunktsprachen Chinesisch und Arabisch aufrufen.
Einen roten Faden gibt es auf www.litrix.de nicht. Stattdessen schmückt die Website ein elegantes, sattrotes Lesebändchen, das die Seiten eines aufgeschlagenen virtuellen Buches teilt. Als Orientierungshilfe wäre es ohnehin überflüssig, da sich die in schlichtem weiß gehaltene Seite mit dem in blauen, romantisch anmutenden Logo durch große Klarheit und Übersichtlichkeit auszeichnet.
Das vom Litrix-Team erdachte und den Initiatoren des Projekt vorgelegte Konzept geht auf: Nicht schreiend bunte Farben und spektakuläre Animationen, sondern Literatur und ihre Vermittlung stehen im Vordergrund. So bietet litrix.de einen Überblick über die ausgesuchten Romane, Sach- und Kinderbücher, wobei bei Bedarf zu jedem Titel Buchbesprechungen ebenso wie Leseproben verfügbar sind. Des Weiteren informiert die Site in kurzen Porträts über die Autoren sowie über deren weitere Veröffentlichungen. Im Dezember 2006 wurde die Seite über die monatliche Aktualisierung („Bücher des Monats“) hinaus um eine Galerie der von litrix.de bisher geförderten Übersetzungen in den Schwerpunktsprachen ergänzt.
Ebenso ausführlich wie der Literatur widmet sich litrix.de auch der Vorstellung des eigenen Profils, um dessen Anliegen, Ziele und Hintergründe transparent zu machen. In diesem Zusammenhang fehlt auch nicht die Erwähnung derer, die als Förderer bzw. Partner die Arbeit von litrix.de erst ermöglichen. Unterstützung erfährt das Projekt neben der Kulturstiftung des Bundes durch das Goethe-Institut als Träger und durch die internationale Abteilung der Frankfurter Buchmesse.
Der Auf- und Ausbau dieses Netzwerks stellte möglicherweise auch ein wichtiges Kriterium für die Kulturstiftung dar, die in der 11. Stiftungsratssitzung am 18. Dezember 2006 entschieden hat, die Arbeit von litrix.de mit einer Einzelförderung in Höhe von 450.000 Euro weiterhin zu unterstützen. Modalitäten wie die Laufzeit und die Festlegung eines neuen Schwerpunktlandes bleiben zwar noch zu klären, litrix.de könne aber 2007 mit dem erneut bewilligten Zuschuss nach Gerecke in „die nächste Runde“ gehen.
Ein ähnliches Motto machte sich das Team des DLA (Deutsches Literaturarchiv Marbach) zu eigen, als es sich für eine Fortführung des im Schillerjahr 2005 konzipierten literarischen Kalenders entschloss. So ging am 15. Juni 2006 der Nachfolger von www.schillerjahr2005.de online. Im Gegensatz zu litrix.de beschäftigt sich literaturportal.de nicht mit der Verbreitung deutscher Literatur im Ausland. Vielmehr sollen hier sämtliche, im deutschen Bundesgebiet anstehenden Veranstaltungstermine im Bereich der Literatur auf einen ‚Klick’ zusammengestellt und zugänglich gemacht werden.
Neben zahlreichen Partnern wie unter anderem dem Kulturkurier, dem Deutschlandradio und dem Goethe-Institut wird dieses Projekt auch vom Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann (BKM), unterstützt und gefördert. Maria Lüken vom BKM erklärt das spezielle Interesse am Literaturportal durch den „wesentlichen Beitrag“, den das Portal im Bereich der „Vermittlung aktueller literarischer Erzeugnisse und Ereignisse“ leisten kann.
Um diesen „wesentlichen Beitrag“ zu erfüllen, lockt literaturportal.de mit einigen reizvollen Angeboten, die aber zum Teil noch in Kinderschuhen stecken. Beim Aufruf der Homepage flutet ein kühles Weiß den Bildschirm, hie und da zersetzt mit kleinen Schwarzweiß-Bildchen. Eine wenig einladend graue Deutschlandkarte verweist den Interessierten bereits auf den Kern des Portals – nämlich dem literarischen Kalender.
Wer sich aber auf das Thema Literatur erst noch einstellen will, den locken nahezu 500 Kurzbiografien bekannter und weniger bekannter Autoren der Moderne. Teilweise allzu kurze Lebensdaten sollen Lust auf mehr machen. Dieses Mehr bilden akustische Ausschnitte aus Autorenlesungen („Stimme des Autors“), die dem Literaturfreund den Schriftsteller näher bringen sollen. Das gelingt, vorausgesetzt man lässt seinem Computer genug Zeit zum Datenlesen.
Hinter dem Button „Archiv“ verbirgt sich derzeit nur eine Baustelle. Zukünftig sollen hier sämtliche Veranstaltungstermine archiviert werden. Auch unter „Exponate“ wird der geneigte Besucher noch nicht allzu fündig. Erklärtes Ziel dieses Bereichs sind von Autoren verfasste Beschreibungen von Ausstellungsstücken aus dem LiMo (Literaturmuseum der Moderne) oder dem DLA selbst. Diese an sich nette Idee wurde jedoch noch nicht im großen Rahmen umgesetzt, so dass unter „Exponate“ erst ein alleinstehendes Ausstellungsstück schlummert.
Nach all diesen, zum Teil noch im Bau befindlichen Angeboten, wartet das Literaturportal doch noch mit einem echten Schmankerl auf. Alle Literaturbegeisterten stoßen unter „Links“ auf eine übersichtliche, in Untergruppen geordnete Fundgrube. Zahlreiche Zweige des großen Literaturbaumes sind hier bereits gesprossen und werden wohl noch weiter gedeihen. Genauso zahlreich und verschieden zeigt sich auch die Palette der verlinkten Websites. So steht neben Pages wie bluetenleser.de und dem nicht mehr existierenden berliner-zimmer.de auch der Blog der germanistischen Lehrveranstaltung an der Philipps-Universität Marburg, in deren Rahmen dieser Artikel entstanden ist.
Allein schon diese beiden, in ihrer Zielsetzung so unterschiedlichen Internetseiten zeigen, wie vielfältig Literatur im WWW betrachtet und bearbeitet werden kann. Die häufige Erwähnung des Internets in anderen Medien beweist zwar seine derzeitige Präsenz. Doch sowohl litrix.de als auch literaturportal.de machen deutlich, dass sich das Internet und ein anderes Medium nicht ausschließen müssen. Vielmehr stellen beide für sich genommen je ein Beispiel dar, wie ein Medium eine fruchtbare Symbiose mit einem anderen Medium eingehen kann.

SJ und AD

Abgebloggt - Baustelle!

„Fast jeder Autor, der ein neues Buch veröffentlicht, tut es“, gesteht die Pamela Paul in der New York Times: „ das unwiderstehliche Eintauchen in einen vom Internet evozierten Narzissmuss.“

Wie die amerikanische Sachbuchautorin nutzen auch viele ihrere Kollegen das vergleichbar junge Publikationsmedium.zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die Rede ist von sogenannten „Blogs“ im Internet. Innerhalb des deutschen Literaturbetriebes zunächst in ein Nischendasein gezwängt, entfaltet dieses Phänomen in den USA eine ungeahnte Marktkraft.

Auch Verlage…

Ein Beispiel?

Das Buch “How Would a Patriot Act?” des amerikanischen Autors Glenn Greenwald wurde innerhalb von nur drei Monaten konzipiert, geschrieben, verlegt und veröffentlicht. Als ob das nicht genug wäre, schaffte es das Werk mithilfe der Blogger im gleichen Zeitraum auf die amerikanischen Bestsellerlisten.

Sollten sich nicht auch deutsche Literaturbetriebe dieses Beispiel zu Herzen

nehmen, um nicht den Aufsprung auf einen bereits fahrenden Zug zu verpassen?

Die Möglichkeit, sich an einem Buch derart interaktiv zu beteiligen, ist in dieser Form absolut neu. So bieten sich auch für Autoren neue Möglichkeiten.

In ihren selbst veröffentlichten Blogs stellen sie sich den Fragen ihrer Leserschaft. Natürlich kann sich der Schriftsteller auch direkt in einen Literaturblog einschalten, um seine Ansichten zu vertreten.

Doch auch für das Kollektiv der Lesenden gibt es mittlerweile interessante Blogs. Auf Internetseiten wie Dienstraum.de oder Literturwelt.de kann sich die bibliophile Internetgemeinde über Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt austauschen. Bücher werden dort bewertet, eventuell zum Lesen empfohlen, oder auch mal heftig kritisiert. Eine weitere Art der literarischen Vernetzung sind so genannte "Social Bookmark"-Dienste wie Del.icio.us, Furl oder Spurl, die nach dem Empfehlungsprinzip funktionieren. Jeder Nutzer hat dort ein eigenes Profil angelegt, anhand dessen sich wiederum andere Leseinteressierte orientieren können. Auf solchen Seiten legen User täglich Lesezeichen zu ihren Lieblingsartikeln im Web ab. Das Ergebnis: Permanent erhält man aktuelles Lesefutter zu Themen, die einen höchstwahrscheinlich interessieren.

Doch wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?
Die ersten Spuren zum Thema Blog lassen sich im Sommer 1990 finden. Damals wurden sie noch als Online-Tagebücher bezeichnet, da es noch keinen adäquaten Ausdruck für dieses junge Phänomen gab. Der Begriff bezeichnete damals Webseiten, auf denen Internetnutzer kurze Einträge über ihr Privatleben verfassten, und so die Öffentlichkeit daran teilhaben ließ.
Es sollten sechs Jahre eifrigen Tagebuchschreibens vergehen, bis erstmals neue, benutzerfreundliche Bedienoberflächen geschaffen wurden.
Schließlich nannte man das Kind auch beim Namen - auf einer Website von Jorn Barger tauchte 1997 der Begriff "Weblog" auf, eine Wortkreuzung aus "Web" und "Log(buch)". Die Kurzform "Blog" folgte im Jahr 1999.
Bereits zwei Jahre später erschienen erste Journalartikel und Forschungsarbeiten über das Thema.

Betrachtet man allein die Größe der so genannten "Blogosphäre", so fällt auf, dass diese weiterhin beachtlich und kontinuierlich gewachsen ist. Die Internetdatenbank Technorati zählt momentan 63,2 Millionen Blogs. Als wäre diese Menge nicht schon beeindruckend – statistisch gesehen verdoppelt sich die Anzahl veröffentlichter Blogs alle fünf Monate.
Mit dem Wachstum der Blogosphäre nimmt auch die Menge unterschiedlicher Weblog- Formen zu. Sie bestehen oft aus einer Mischung von Kommentaren, Tagebuch-Einträgen und Kuriositäten aus dem Netz. Neben diesen sehr persönlich gehaltenen Weblogs etablieren sich jedoch zunehmend auch Fach-Blogs, welche Fakten, Trends und Tipps zu einem bestimmten Thema veröffentlichen. Auch etablierte Medien sind ernsthaft an dem Phänomen interessiert – dies lässt sich schon daran erkennen, dass viele in Blogs diskutierte Themen von der Presse übernommen werden.
Vertraut man der Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos, so schenkt rund ein Viertel der europäischen Internetnutzer den in Blogs veröffentlichten Kommentaren und Beiträgen Glauben. Damit ist ein Meinungsbildendes Potential unverkennbar.

Ein besonderes Geschick im Umgang mit dieser jungen Publikationsplattform führen uns momentan einige große Zeitschriftenverlage vor. So sind beispielsweise Die Zeit und das Handelsblatt derzeit mit ersten Blogprojekten beschäftigt.
Beide Zeitungen sind sich darin einig, dass sie einen Blog für besonders geeignet halten, um im Netz schnell und effektiv zu publizieren.
Aus diesem Grund setzen sie bereits jetzt einige Journalisten als aktive Blogger ein. Damit liegen sie völlig im Trend - zukünftig werden Journalisten das Netz beherrschen, die in der Lage sind, schnell und effizient auf aktuelle Geschehnisse zu reagieren und ihre Quellen geschickt einzusetzen wissen. Mit diesen Fähigkeiten bewaffnet, sind sie in der Lage, bereits vorhandenen Informationen eine neue Sichtweise beizumessen.

Mitarbeiter großer Unternehmen verbringen einen nicht geringen Teil ihrer Arbeitszeit vor ihrem Bildschirm, um systematisch die Diskussionen innerhalb der Blogs zu verfolgen. Sie versprechen sich dadurch ein schnelles und ehrliches Feedback. Diese Tatsache liefert zugleich eine Momentaufnahme der "Blogästhetik" - Weblogs bieten die Möglichkeit, direkt und ungefiltert gesellschaftliche Ereignisse aufzugreifen und zu präsentieren. So ist es nicht verwunderlich, dass momentan vorwiegend täglich und wöchentlich publizierende Medien diese Möglichkeiten nutzen. So sehr sich bei diesen Medien eine dauerhafte und zukunftsweisende Nutzung herauskristallisiert, so sehr ist der Einsatz von Blogs in größeren Verlagen derzeit in einen großen Mantel des Schweigens gehüllt. Dabei übersehen sie jedoch, dass sie bereits mit dieser Handlung eine konkrete Position zur Thematik beziehen. Ihre unbewusste Stellungnahme lässt vermuten, dass eine dem Unternehmen entsprechende Auswertung und Umsetzung des Phänomens bereits in Planung ist. Um nicht den Anschluss an die publizierende Gemeinschaft sowie an den Kunden zu verlieren, sollten diese Unternehmen jedoch schleunigst auf den bereits fahrenden "Blog-Zug" aufspringen.
Betrachtet man noch einmal die erstaunliche Entwicklung der Blogosphäre, so ist es schier undenkbar, diesen Zug jemals zum Stillstand zu bringen.

Wir wünschen eine angenehme und erfolgreiche Reise!

DS/TL

Thursday, January 11, 2007

Verlage setzen auf Verbündung

Deutsche Publikumsverlage und ihre Möglichkeiten, den multimedialen Konkurrenten "Internet" für eigene Zwecke der Literaturvermittlung einzuspannen

Ein Lotse geht von Bord. Der Internetchef Dirk Moldenhauer hat Rowohlt verlassen – nachdem er den Traditionsverlag sechs Jahre lang sicher und erfolgreich durch die Weiten des World Wide Web navigiert hat. Nicht etwa, weil es für ihn im digitalen Marketing nichts mehr zu tun gäbe, im Gegenteil: Moldenhauer und seine Kollegin Ulrike Schwermann gründeten eine Agentur für die professionelle Online-Vermarktung des gedruckten Wortes. Eine Agentur, in der sich der Wunsch des modernen Lesers nach multimedialer Information widerspiegelt. Doch wie hat der Schmöker über das Internet einen Weg gefunden, sich zu behaupten und in der modernen elektronischen Welt nicht nur auf seine Anhänger zu zählen, sondern in einem Meer von Daten und Dokumenten auch auf neue Leserschichten zu zutreiben?
„Die jüngeren Generationen gehen ganz selbstverständlich mit dem Internet als Informations- und Unterhaltungsmedium um und diese Generationen müssen wir als zukünftige bzw. jetzige Käuferschichten im Netz abholen“, beschreibt Sigurd Martin, Online Marketing Koordinator des Verlages S. Fischer, das Internet als „Marketing-Nebenstandbein“ des Frankfurter Publikumsverlages. Ein Spielbein, das allerdings immer mehr an Bedeutung gewinne und dementsprechend gefördert werden müsse. Obwohl nicht jeder gerne darüber spricht, hat diese Strategie vor keinem der führenden Publikumsverlage halt gemacht, sodass die Verlagshomepages in den neunziger Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen.
Dass die Sites etwas fürs Auge bieten liegt in der Natur ihres Wesens, doch deshalb müssen sie noch lange keine Augenweide sein. Der Suhrkamp Verlag zeigt, dass er weiß worauf es ankommt: Bilder müssen zu sehen sein und Texte daneben stehen. Er zeigt aber auch, dass Bilder und Texte nicht immer ein harmonisches Ganzes ergeben. Anders sieht es sowohl bei Hoffmann & Campe, als auch bei Hanser aus. Nach dem Motto „Weniger ist mehr“ haben der Hamburger und der Münchner Verlag Homepages mit schlichter Eleganz entworfen, die ein problemloses Handling und einen umfassenden Einblick in das Verlagsprogramm ermöglichen. Etwas mehr durfte es bei Fischer und Rowohlt sein. Visuelle Reize und aktuelle Gestaltungsformen lassen den Blick des Users auf der Homepage verweilen - mit etwas Glück auch so lange, dass er sich einen Weg durch das nicht immer klar strukturierte Angebot bahnen kann.
Mit dem gezielten Blick auf eine Homepage schließlich schlägt die Stunde der Literatur. Die Verlage haben sich einiges einfallen lassen, um den potentiellen Käufern ihre Bücher zu vermitteln. Die klassische Kurz-Inhaltsangabe ergänzt durch einige schmeichelnde Zitate kommt in seiner Einfachheit fast ausschließlich noch im Suhrkamp-Verlag zum Einsatz. Hoffmann & Campe, Fischer, Rowohlt und Hanser hingegen sind sich einig, dass dem medienverwöhnten Leser von heute mehr geboten werden muss. So gehört neben der Inhaltsangabe auch die Kurzbiographie zum Grund-Marketingprogramm eines literarischen Werkes. Anzahl und Gestaltung der Extras zeigen, welche Werbepriorität der Verlag dem jeweiligen Buch zuschreibt.
„Das Internet ist eine ideale Plattform zur Literaturvermittlung, weil es diese multimedial ermöglicht. Mit Trailern, Hörproben, Büchern zum Blättern etc. in Kombination mit traditionellen Vermittlungswegen kann der Kunde umfassend informiert werden“, weiß Sigurd Martin um die Möglichkeiten des Mediums Internet, die auch auf der Homepage der Fischerverlage vermehrt zum Einsatz kommen sollen.
Der Hanser Verlag versieht seine prestigeträchtigsten Werke mit „Specials“, in denen neben Informationen über Autor und Werk unter anderem auch Interviews, Gespräche, Autorenporträts und Lesungstermine zu finden sind. Als akustisches Highlight bietet er zu insgesamt 15 Büchern so genannte Podcasts an, über die der User unter anderem einem Autoreninterview lauschen konnte.
Rowohlt versteht es regelrecht, die Besucher seiner Homepage zu fesseln. Über die aktuellsten Werke informiert jeden Monat das Online-Magazin Bookmarks. Und auch das gedruckte Kundenmagazin Rowohlt Revue ist seit kurzem nicht mehr nur in der Buchhandlung zugänglich, sondern als elektronische Version an jedem Ort verfügbar. Ein Trailer zum derzeitigen Aushängeschild des Verlages rundet das Informationspaket rund um das Buch in Bild, Text und Ton ab.
Hut ab also vor den Verlagen, die den visuellen Maßstab hoch ansetzen und PR-journalistische Mittel nutzen, um ihre Bücher online zu vermarkten. Die Möglichkeit, seine Leser mit kleinen „Goodies“ wie Leseproben zu binden und die Nähe zum Autor räumen dem Verlag gegenüber dem Literaturjournalisten nicht zu unterschätzende Vorteile ein. Er muss sich warm anziehen, um mit dem Tempo Schritt zu halten. Doch der klassische Literaturjournalist hat einen kleinen Vorsprung: Er darf Kritik äußern, und nicht nur positive. Denn im Unterschied zu den Verlagen will er seine Meinung verkaufen, keine Bücher.
Die Verlagshomepages bleiben hingegen trotz aller Überschneidungen mit dem Literaturjournalismus Marketing-Instrumente. Sie bewerben ihre Bücher und in nicht seltenen Fällen sich selbst, sie bieten eine direkte Bestellmöglichkeit der Bücher an und tragen damit einen wesentlichen Teil dazu bei, den Untergang des gedruckten Wortes zu vermeiden und das Phänomen der Gutenberg-Galaxis weiter aufrecht zu erhalten. Verbündung mit der multimedialen Konkurrenz heißt die Devise, die es dem klassisch gedruckten Buch erlaubt, seine Popularität auch in Zukunft zu bewahren.
Die Entwicklung neuer Agenturen im Internet-Universum, die sich wie auf Umlaufbahnen rund um das Thema der Literaturvermittlung im virtuellen Medium drehen, trägt ihren Teil zum Fortbestehen der Gutenberg-Galaxis bei. Das Beispiel Moldenhauer/Schwermann beweist es: Visionär und zukunftsorientiert, kann man das Dienstleistungsunternehmen für Internetmarketing für eine vielversprechende Geschäftsidee halten, die das Buch mit dem zusätzlichen Angebot des Einzeltitelmarketings in den Mittelpunkt rückt wie nie zuvor. Der Lotse Moldenhauer geht also nicht an Land, er besteigt vielmehr ein neues Schiff zu neuen Ufern und zeigt, wohin die Reise geht.

MM AV

Tuesday, January 09, 2007

„Wer taucht kann nicht untergehen“

Überschrift

„Wer taucht kann doch gar nicht untergehen“, sagt Thierry Chervel, vor der Urteilsverkündung durch das Frankfurter Landgericht. Gemeint ist hier das Urteil zur Verhandlung gegen die kleine Online-Redaktion Perlentaucher. Die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung werfen ihr Rezensionsklau vor. Denn die Printmedien fürchten um den klassischen Kulturjournalismus und um ihre Leserschaft.

1999 entstand die Idee eines Internet-Kulturmagazins. Während des Internethypes entschlossen sich Anja Seeliger und Bruder Niclas, Thierry Chervel und andere zur Gründung von Perlentaucher. Seit März 2000 ist der Perlentaucher nun online. Allmorgendlich ab 9 Uhr bringen findige Redakteure Licht in das Dunkel des Feuilletondschungels. Hier findet der Kulturinteressierte die interessantesten Artikel der deutschen Feuilletons ausgewertet und kurz zusammengefasst, Schlüsselbegriffe sind hervorgehoben und Links führen den Leser zu den Originalbeiträgen. Am frühen Nachmittag dann folgt die Bücherschau des Tages. Daran angeschlossen bietet Perlentaucher eine Buchdatenbank an, in der sich mehrere tausend Einträge zu Buchbesprechungen der großen deutschen Qualitätszeitungen finden. Darüber hinaus erstellt Perlentaucher Websites für Autoren und Buchtitel, die so genannte Buchmaschine. Jeden Dienstag erscheint zudem die Magazinrundschau, die einen Blick auf die internationale Kultur außerhalb des deutschsprachigen Raumes wirft. Weitere Dienste und Serviceleistungen, wie ein Newsletterabonnement oder die Rubrik „Vorgeblättert“, die die Buchneuerscheinungen der kommenden Saison im Vorabdruck vorstellt, runden das Angebot ab.

Das Magazin ist das Einzige seiner Art im deutschsprachigen Netz. 600.000 Besucher, zumeist mit Studienabschluss und überdurchschnittlichem Einkommen, nutzen das tägliche Angebot der kleinen Berliner Redaktion. Tendenz steigend. 2003 die verdiente Belohnung: die Jury des Grimme Online Awards bezeichnet Perlentaucher als ein „Journal der Journale“ und verleiht ihm im Bereich Medienjournalismus eine Auszeichnung für die beste Idee und Konzeption. Fein und uneitel gestaltet sei der Internetauftritt und das Wort stehe stets im Vordergrund, lobten die Juroren. 2005 geht die englischsprachige Schwesterseite signandsight.com mit Hilfe von Geldern der Kulturstiftung des Bundes an den Start. Perlentaucher selbst finanziert sich nicht aus öffentlichen Mitteln, um journalistisch unabhängig zu bleiben. „Niemand redet uns in Inhalte rein“, macht Thierry Chervel deutlich. Nicht nur durch Werbung auf der Website und in den eigenen Newslettern wird eine kostendeckende Finanzierung erreicht, sondern auch durch den Verkauf der zusammengefassten Buchrezensionen, die sog. Buchnotizen, an den Internetbuchhändler buecher.de. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer begraben.
Die Verlage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung klagen gegen das Online-Magazin. Der Vorwurf: Perlentaucher verletze Urheber- und Wettbewerbsrechte. Die Klage wendet sich gegen die kommerzielle Verwertung der Perlentaucher Buchbesprechungen, so genannte „abstracts“. Unter „abstracts“ versteht man hier die Zusammenfassung der Originalbuchkritiken aus FAZ und SZ ohne weitere Interpretation und Wertung durch Perlentaucher. Die Frage die sich für die Frankfurter Richter an diesem Punkt stellte, ist, ob das Lesen eines solchen „abstractes“, das Lesen des originalen Feuilletonartikels ersetzt. Denn die FAZ befürchtet, einen Rückgang ihrer Leserschaft, weil direkt neben der eigenen, ebenfalls an buecher.de verkauften, Rezension die Perlentaucher Buchnotiz stehe. Gegen die Zusammenfassungen der Feuilletonartikel auf der Perlentaucher Website an sich, habe man gar nichts, solange sie nicht kommerziell genutzt würden, so die FAZ. Also ein klarer Fall von Konkurrenz. Chervel ist hier jedoch anderer Meinung. Bis heute verstehe er nicht, wie der Perlentaucher mit seiner irrelevanten Größe, die FAZ und die SZ schädigen könne.

Doch ist die Sorge der Printmedien um ihren Kulturjournalismus begründet? Kann die Buchnotiz des Perlentauchers tatsächlichen einen Feuilletonartikel ersetzten? Glauben FAZ und SZ wirklich an einen Rückgang ihrer Leserschaft? Zumindest die Möglichkeit besteht, denn welcher Internet User geht um die Ecke zum nächsten Kiosk um die FAZ zu kaufen, wenn die neusten Nachrichten und Informationen nur den berühmten einen Klick entfernt sind? Umdenken heißt das Stichwort. Mit viel Selbstvertrauen sollten unsere großen deutschen Zeitungen das Internet vielmehr als Chance begreifen, ihre Bekanntheit noch weiter zu steigern und ein noch breiteres Publikum zu erreichen. Denn der Perlentaucher gehört zu jenen neuen journalistischen Angeboten des World Wide Web, die sich auch in Zukunft weiter verbreiten werden. Auf unnachahmliche Weise macht der Perlentaucher klar, dass das flüchtige, temporeiche Medium des Internets und der Kulturjournalismus einander nicht ausschließen müssen. Frei nach dem Grundsatz „in der Kürze liegt die Würze“ versteht es das Magazin auf seiner Suche nach literaturjournalistischen Perlen die wichtigsten Informationen auf den Punkt zu bringen und passt sich somit der Mentalität einer Hast- und Habe-keine-Zeit-Gesellschaft an. Der Perlentaucher besetzt eine lukrative Lücke zwischen Klappentext und Feuilletonartikel und kann so auf jeden Fall eine Zeitersparnis bieten. Problematisch bleibt jedoch weiter die Frage nach den eigenen Bedürfnissen des Lesers. Klickt er sich in sekundenschnelle von Text zu Text oder genießt er den Feuilletonteil lieber bei einer Tasse Kaffe am Frühstückstisch?

Im November dann das vorläufige Urteil: Das Frankfurter Landgericht wies die Klage ab und erklärte, dass die „abstracts“ weder gegen das Urheberrecht, das Wettbewerbsrecht
noch gegen das Markenrecht verstoßen. Das Lesen der Buchbesprechungen ersetze in keinem Falle das Lesen der Feuilletonartikel. Die Richter begründen ihr Urteil wie folgt: „Ob ein „abstract“ den Originalbeitrag zu ersetzen vermag, hängt nicht nur von objektiven Umständen, sondern ganz wesentlich von den subjektiven Bedürfnissen der Leser ab.“ Somit soll es dem Leser selbst überlassen bleiben, wie ausführlich er sich informieren möchte. Das Urteil erlaubt dem Perlentaucher vorläufig seine Suche nach literaturjournalistischen Perlen fort zu setzten. Nicht ganz unerwartet geht der Rechtsstreit 2007 jedoch in die nächste Runde. Im Januar legten FAZ und SZ beim Oberlandesgericht Frankfurt Berufung ein.
Aber wer taucht kann ja bekanntlich nicht untergehen.

J.H & N.W.


Welt, 8.1.07: FAZ und SZ gehen gegen Perlentaucher in Berufung

Das Frankfurter Landgericht hatte entschieden, dass das Internetportal die Buchrezensionen der Zeitungen zusammenfassen und sie an Internet-Buchhändler weiterverkaufen kann. Gegen den Verkauf der Rezensionen an Dritte wollen die Zeitungen vorgehen.

Der Rechtsstreit zwischen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) auf der einen und dem Internet-Kulturmagazin Perlentaucher auf der anderen Seite geht weiter.

Nachdem das Frankfurter Landgericht in seinem Urteil vom 23. November 2006 gegen FAZ und SZ entschieden hatte, kündigten die beiden Zeitungen jetzt an, in die Berufung zu gehen.


Inhalt der Rechtsstreitigkeiten sind die Notizen, in denen der Perlentaucher Buchrezensionen aus FAZ und SZ zusammenfasst und an Internet-Buchhändler weiterverkauft. Dabei richtet sich der Vorwurf nicht gegen die Notizen, sondern gegen den Weiterverkauf.

FAZ und SZ haben nun bis zum 1. März Zeit, ihre Berufung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main zu begründen. Voraussichtlich wird im Sommer oder Herbst dieses Jahres neu verhandelt.

WELT.de/bix

Telepolis über Literaturvermittlung im Internet

Da hat sich Telepolis ja mal ein spannendes Thema vorgenommen.
(http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24282/1.html)
Grüße in die Runde, kue

Mit Klappentext im Wespennest
Maik Söhler 07.01.2007
Die neue Netzliteratur, Teil 2

Literatur und Internet haben gemeinsam, dass ihnen die Schriftsprache sehr wichtig ist. Und doch kommen sie hierzulande, wie im ersten Teil (vgl. Ahmadinedschad als Schwein) am Beispiel bloggender Autoren dargelegt wurde, nicht so recht zusammen. Diesmal soll der Frage nachgegangen werden, was eigentlich aus den zahlreichen Ankündigungen diverser Verlage, Magazine und Foren geworden ist, die Literatur im Netz zu fördern.

Anstatt ins große Lamento einzustimmen, Google Books, das Projekt Gutenberg und andere zerstörten die althergebrachte Buchkultur, könnten sich die Verlage mal wieder an die in den neunziger Jahren häufig zu hörende Ankündigung erinnern, es gelte die Möglichkeiten des Netzes zu nutzen, um Literatur wieder voran zu bringen.

Was war nicht alles zu hören von Romanen, die im Internet entstünden und die man – Kapitel für Kapitel – dort lesen oder downloaden könnte; von verbesserter Interaktion zwischen Autor und Leser; von grenzüberschreitender Vernetzung der Autoren untereinander; von demokratischer Mitbestimmung der Leser bei der Entstehung eines Werkes; von direkter Literaturkritik usw. Gut, es ist was entstanden: ein bisschen "Book-on-demand", einige europäische Literaturseiten, die jenseits der üblichen Einmischungen diverser Goethe-Institute zustande kamen, einige Preise für Literatur im Netz (vgl. what if - visionen der informationsgesellschaft) sowie allerlei unabhängige Mailinglisten, Rezensions- und allgemeine Literaturforen - über die Verlagsseiten im Netz kann man getrost schweigen.

Egal ob bei literaturwelt.de, carpe.com, u-lit.de, berlinerliteraturkritik.de, bluetenleser.de, literaturcafe.de und wie die einschlägigen Portale alle heißen oder bei Rezensionsforen wie literaturkritik.de und titel-forum.de – die Angebote im Netz werden umfang- und detailreicher. Besonders literaturkritik.de hat es in letzter Zeit geschafft, die universitäre mit der journalistischen Buchkritik zu verschränken und darüber hinaus halbwegs aktuell auf Diskussionen über literarische Highlights und Tiefpunkte einzugehen und gelegentlich auch noch Mailwechsel mit Schriftstellern zu dokumentieren.

Auch das altehrwürdige Berliner Zimmer, immerhin schon seit 1998 "Salon im Netz", bietet vieles von dem, was man von Netzliteratur erwarten kann: Mailingliste, Chat, Downloads, Blog, Theorie, Rezensionen, News und Informationen sowie vor allem Links, Links und noch mal Links. Wer hier nichts Interessantes findet, ist selber schuld, und doch werden im Berliner Zimmer auch die Grenzen deutlich. Übersichtlichkeit sieht anders aus, Komplexität braucht manchmal jemanden, der sie reduziert, viele Links bedeuten nicht immer auch gute Links. Um eine Perle zu finden, muss man sich im Berliner Zimmer gelegentlich durch zig unleserliche Magisterarbeiten klicken.

Viel zur Literatur im Netz bieten auch die einschlägigen Magazine wie Bücher und Literaturen, wobei auffällig ist, wie selten dort Schriftsteller selbst zu Wort kommen. Spiegelt Literaturen-Online fast eins zu eins das jeweilige aktuelle Heft wieder, so versucht sich der Internetauftritt von "Bücher" zumindest an ergänzenden Online-Formaten. Doch das eigens eingerichtete Blog enttäuscht rasch: Zwar erscheinen hier gelegentlich auch Fortsetzungsgeschichten mehr oder weniger namhafter Autoren – zuletzt war Juli Zeh dran –, es handelt sich dabei aber um Beiträge, die auch im Magazin zu lesen sind. Ansonsten bloggt fast ausschließlich der Chefredakteur selbst, es gibt kaum Kommentare, Diskussionen finden so gut wie nicht statt.
Ähnliches gilt für das inhaltlich immer wieder überraschend gute volltext.net, das hübsch-schräge österreichische Wespennest und selbstredend für das behäbige Börsenblatt – Onlinemagazin für den deutschen Buchhandel. Interaktion ist anderswo, neue Formate, um Literatur online anders zu fassen, sucht man hier vergeblich.

Schade, denn woanders stößt man überraschend auf genau diese Formen: Sei es im taz-blog, beim auf Hörbücher spezialisierten vorleser.net, bei den pragmatischen Buchzusammenfassungen auf getabstract.com oder im liebevoll erstellten Buchhändlerblog aci.blogg.de. Immer wieder erstaunlich gut können auch Kurzrezensionen und Tipps auf buecher.de, perlentaucher.de und selbst auf Amazon.de und ebay.de ausfallen, besonders dann, wenn dort Schriftsteller selbst verfasste Klappentexte online stellen, bevor das dazu gehörende Buch erschienen ist. Einer dieser Klappentexte sorgte jüngst für tagelange, aufgeregte Diskussionen. Und zwar zuerst in den Literaturforen aus aller Welt, und erst danach in den Feuilletons der Zeitungen. Dem US-Autor Thomas Pynchon ist dieses Kunststück gelungen, einem Phantom, das sich seit fast 40 Jahren vor der Weltöffentlichkeit verbirgt und dem die Anonymität des Internet zu liegen scheint wie sonst kaum jemandem. Jagen Sie seinen Namen mal durch eine Suchmaschine, lassen die Kommerzseiten unberücksichtigt und schauen dann, auf welch irrsinnig-wunderschönen Seiten Sie überall landen. Das Ergebnis wird Sie überraschen. Denn die Pynchon-Sites zeigen eines ganz deutlich: Literatur im Netz kann sehr gut funktionieren, wenn sie schnell, überraschend, kreativ und unglaublich verstörend ist. Dann ist sie fast so stark wie in einem guten Buch.